Ein Gesetz, in dem ein paar Mindestanforderungen in einem Reit- oder Fahrbetrieb geregelt werden? Eine gesetzliche Grundlage für Sicherheitsaspekte im Reit- oder Fahrunterricht? Gibt es das?
 
Die meisten der beim Reit- und Fahrunterricht geltenden Sicherheitsvorschriften stammen entweder aus der Vorkriegszeit (aus militärische Vorschriften), oder aber aus der Rechtsprechung höherer Gerichte und sind damit auch in den Regelwerken der Reit- und Fahrverbände wieder zu finden. Auch die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften haben hier einen gewissen Einfluss, obwohl sie als Vorschrift der gesetzlichen Unfallversicherung primär nur für die Beschäftigten im Reit- und Fahrwesen Gültigkeit haben. Über sie wird jedoch letztlich auch ein gewisser allgemein anzunehmender Sicherheitsstandard definiert.
 
Daneben gibt es aber seit dem Jahr 1990 auch tatsächlich ein Gesetz, in welchem einige ganz einfache und eigentlich auch selbstverständliche Sicherheitsanforderungen geregelt sind. Nur kaum jemand kennt dieses Gesetz!
 
Nach diesem Gesetz darf zum Beispiel ein Kind erst ab einem Alter von 4 Jahren überhaupt auf ein Pferd gesetzt werden. Kinder ab dem 4. bis zum vollendeten 7. Lebensjahr dürfen nur reiten, wenn sie dabei am kurzen Zügel im Schritt durch Personen geführt werden, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen!
 
Betriebsleiter, Ausbilder und Aufsichtspersonen müssen über eine entsprechende fachliche Qualifikation verfügen. Für Reiter und Fahrer gilt ein Alkoholverbot, ihr Reaktionsvermögen darf auch nicht durch Krankheit, Übermüdung, Medikamente oder andere Mittel herabgesetzt sein. Zum Reiten oder Fahren ist ein Zaum zu verwenden. Beim Führen oder Festhalten dürfen Zügel, Ketten oder Stricke nicht um die Hand gewickelt werden.
 
Das Aufsitzen ist nur außerhalb von Gebäuden oder in Reithallen erlaubt und muss unter Aufsicht erfolgen. Der für den Unterricht Verantwortliche hat vorher die Ausrüstung zu kontrollieren und den Sattelgurt fest zu ziehen. Sättel müssen mit einem Halteriemen versehen sein. Der Boden der Reitbahn muss min. aus einer 10cm dicken Schicht aus Sand, Sägespänen oder anderem staubfreien Material bestehen.
 
An Ritten ins Gelände dürfen nur Reiter teilnehmen, die mindestens eine zehnstündige Reitausbildung nachweisen können. Die Ritte müssen unter Aufsicht erfolgen und die Reiter müssen entsprechende Kleidung und Kopfschutz tragen.
 
Auf Kutschen dürfen nicht mehr Personen befördert werden, als Sitzplätze vorhanden sind. Ein Verbandskasten ist mitzuführen. Fahrzeugführer müssen über eine entsprechende Ausbildung verfügen. Die Fahrzeuge dürfen nur außerhalb von Gebäuden bestiegen oder verlassen werden. Das Lenken von Zugtieren ist den Fahrgästen nicht gestattet.
 
etc.
 
Woher kommt dieses Gesetz seit 1990?
Tatsächlich ist dieses Gesetz schon älter und stammt aus dem Jahr 1975. Es handelt sich dabei um die “Anordnung über die Touristik mit Reit- und Zugtieren” aus der früheren DDR! Mit Einigungsvertrag bei der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde diese Anordnung ursprünglich wortwörtlich in das Landesrecht der neuen Bundesländer als Gesetz übernommen und besteht in einigen dieser Länder bis heute! Allerdings z.B. in Sachsen durch Rechtsbereinigungsgesetz von 1998 inzwischen so weit geändert, dass es nicht nur für Touristikbetriebe Gültigkeit hat und damit für alle Reit-und Fahrbetriebe gilt. 
 
Nur Landesrecht? Tatsächlich handelt es sich zunächst im reines Landesrecht in den neuen Bundesländern. Allerdings wirken solche Vorschriften auch über die Landesgrenzen hinaus, nämlich dann, wenn ein Gutachter oder Richter im Rahmen eines Rechtstreits der Frage nachgeht, welche Sicherheitsregeln in Reit- und Fahrbetrieben gelten und als Standartanforderungen anzusehen sind. Und an dieser Stelle hat ein Gesetz eine wesentlich stärkere Bedeutung und Auswirkung, als zum Beispiel Regelungen in den Reiterverbänden. Auch dann, wenn es sich “nur” um ein Landesgesetz in den neuen Bundesländern handelt!
 
Erich Honecker lässt grüßen!